Ich habe diesen Beitrag vom 17. Januar dieses Jahres ausgekramt, weil er – leider – aktueller denn je ist, das haben Freital, Dresden und aktuell Heidenau sehr deutlich gezeigt.
Konkreter Anlass ist aber die wunderbare Aktion #BloggerfuerFluechtlinge. 4 Blogger rufen zu einer Spendenaktion „Moabit hilft“ auf – die Begründung von Karla Paul könnt ihr hier nachlesen.
Ich schließe mich diesem Aufruf nur allzu gern an.
Nutzt eure Netzwerke.
Erhebt eure Stimmen.
Helft denen, die alles verloren haben.
Geld spenden könnt ihr über Betterplace, den Link könnt ihr gleich mitverbreiten.
Aber auch vor Ort könnt ihr helfen.
Bei uns wurde gerade eine neue Erstaufnahmeeinrichtung eingerichtet. Es werden Sachspenden wie Hygieneartikel und Kleidung benötigt, aber auch Dolmetscher oder Ehrenamtliche, die sich mit den Flüchtlingen beschäftigen, ihnen zuhören, werden gebraucht.
Solche Hilfe wird sicher auch in eurer Nähe benötigt.
***
Harry Potter ist eine Geschichte über Zauberei.
Harry Potter ist eine Geschichte über Freundschaft.
Und Harry Potter ist eine Geschichte über Ausgrenzung.
Ausgrenzung von Harry, weil er die Sachen seines Cousins auftragen muss.
Ausgrenzung von Neville, weil er scheinbar ein talentfreier Tollpatsch ist.
Ausgrenzung von Hermine, weil sie eine strebsame Schülerin ist.
Ausgrenzung von Luna, weil sie eigenartig ist.
Und natürlich die Ausgrenzung von Muggeln und nicht reinblütigen Zauberern, weil sie weniger wert oder gar wertlos sind.
Das klingt bekannt, oder? Die Ausgrenzung Andersdenkender ist immer aktuell, aber zumindest in Deutschland/Europa war sie lange nicht mehr so brisant wie jetzt, in Zeiten von PEGIDA und ihren Ablegern.
Es ist der Wert der Überzeugungen, der den Erfolg ausmacht. Nicht die Anzahl der Anhänger.¹
Immer wieder, wenn ich PEGIDA kritisierte, wurde ich gefragt, ob ich meine Infos lediglich von der sogenannten Lügenpresse hätte oder ob ich mir wenigstens das Positionspapier aufmerksam durchgelesen habe.
Ich habe es mir durchgelesen. Mehrfach. Nicht nur das von PE-, sondern auch von LEGIDA. Und es hat meinen Eindruck, es hier mit Fremdenfeindlichkeit zu tun zu haben, verstärkt.
Hier ist nicht der geeignete Platz, aufzuzeigen, wieso die Punkte der Positionspapiere nicht nur (zumindest teilweise) eindeutig rechtsradikal, sondern falsch und lächerlich sind. Das wurde an anderer Stelle schon mehrfach gezeigt.
So gibt das Netzwerk Asyl, Migration, Flucht Dresden einen kurzen Überblick darüber, warum die vermeintlichen Gründe gegen Asyl nicht stimmen.
PEGIDA#watch hat sich auf seiner Facebook-Seite sehr detailliert mit den 19 Punkten von PEGIDA beschäftigt und zu allen eine ausführliche Antwort gegeben. Zusammenhängend könnt ihr diese Auseinandersetzung hier nachlesen.
Diese beiden Beispiele zeigen deutlich, dass eine große Anhängerschaft nichts über die Wahrheit ihrer Aussagen oder Forderungen aussagt. Vielmehr zeigt sie, wie groß der Bedarf an Aufklärung und der Unwille zu selbiger ist.
Ich habe Verständnis für Ängste. Viele meiner eigenen Kenntnisse (z.B. über das Dublin-Verfahren und die Residenzpflicht) habe ich erst erworben, seit ich in einer Kanzlei für Ausländer- und Asylrecht arbeite. Aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn sich Menschen dem braunen Mob anschließen, statt sich zu informieren.
Mein Verständnis für besorgte Bürger endet da, wo diese Seite an Seite mit Nazis demonstrieren.
Lord Voldemort besitzt ein großes Talent, Zwietracht und Feindseligkeit zu verbreiten. Dem können wir nur entgegentreten, wenn wir ein nicht minder starkes Band der Freundschaft und des Vertrauens knüpfen. Unterschiede in Lebensweise und Sprache werden uns nicht im Geringsten stören, wenn unsere Ziele die gleichen sind und wir den anderen mit offenen Herzen begegnen.²
Neben dem gestiegenen oder zumindest offener gezeigten Fremdenhass der letzten Zeit ist mir eine ebenso offen zur Schau getragene Abneigung gegen Ostdeutschland im Allgemeinen und Sachsen bzw. vor allem Dresden im Speziellen aufgefallen.
Ja, PEGIDA hatte ihren Anfang in Dresden.
Ja, PEGIDA verzeichnet eine steigende Anhängerschaft.
Und ja, offensichtlich ist PEGIDA vor allem ein ostdeutsches Problem.
Das ist kein Grund, pauschal alle Ostdeutschen zu verurteilen.
Das ist kein Grund, Woche für Woche zu betonen, wie viele Menschen bei PEGIDA mitdemonstriert haben, die Zahlen der Gegendemos aber unter den Tisch fallen zu lassen.
Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich ebenfalls Woche für Woche eben diesen fremdenfeindlichen Demos entgegenstellen.
Erschreckend dabei ist, dass Menschen, die sich gegen PEGIDA wenden, mit den gleichen pauschalen Argumenten und nahezu der gleichen hasserfüllten Semantik alle Ostdeutschen über einen Kamm scheren. Wo ist da noch ein Unterschied?
Die letzten Wochen haben gezeigt, dass nicht nur PEGIDA wachsenden Zulauf verzeichnen kann, sondern dass sich Dresden und Leipzig durchaus gegen diese Fremdenfeindlichkeit wehren.
So demonstrierten am 10.01.2015 35.000 Menschen in Dresden für Toleranz und Weltoffenheit. Und am 12.01.2015 stellten sich 30.000 Menschen in Leipzig der LEGIDA entgegen. Das sind Zahlen, das sind Menschen, die man nicht einfach so unter den Tisch kehren darf.
Zumal es uns nicht weiterbringt. Gerade jetzt müssen wir zusammenstehen, müssen wir uns gemeinsam gegen Fremdenhass und Intoleranz wehren. Gerade jetzt dürfen wir uns nicht entzweien.
Der Zeitpunkt ist gekommen, dass das Haus Slytherin entscheidet, wem seine Treue gehört.³
Der Zeitpunkt ist gekommen, da wir alle entscheiden müssen, auf welcher Seite wir stehen.
Auf der Seite der Toleranz, der Weltoffenheit und der Freundschaft?
Oder auf der Seite der Intoleranz, der Fremdenfeindlichkeit und des Hasses?
Ich weiß, auf welcher Seite ich stehe. Und für welche Punkte ich einstehe.
Damit das klar ist: Das ist kein Aufruf zum Steine Werfen oder Autos Anzünden, nicht mal dazu, sich (Sitz-)Blockaden anzuschließen.
Es ist ein Aufruf dazu, mit sich selbst für seine Ideale einzustehen. Sei es, indem man auf Demos geht, sei es, indem man seine Stimme z.B. auch auf Blogs erhebt.
Leipzig und Dresden haben gezeigt, dass man kein gewaltbereiter Linksautonomer sein muss, um gegen PEGIDA und LEGIDA aufzustehen.
Neben der Antifa waren da Studenten. Familien mit Kindern. Politiker. Künstler. Arbeiter. Rentner.
Alle waren da und haben ohne Gewalt durch ihre reine Anwesenheit und Masse gezeigt, dass PEGIDA eben nicht das Volk ist.
***
einestachelbeere sagte:
Ich finde Dresden ist eine sehr schöne Stadt 🙂
Ich denke außerdem, dass die Menschen im Osten vielleicht unzufriedener sind (weniger Rente, weniger Gehalt, schlechtere Infrastruktur, und das nach 20 Jahren!) und eher einen Sündenbock suchen und dafür auch auf die Straße gehen. Das rechtfertigt natürlich nichts, aber erklärt vielleicht die Wut und Unzufriedenheit. Ich komme aus Brandenburg und studiere in MV, ich bin manchmal unzufrieden, aber insgesamt sehr froh hier zu leben.
buchblogumdieecke sagte:
Gegen berechtigte Unzufriedenheit gibt es ja auch absolut nichts einzuwenden. Und wenn man gegen unfaire Verhältnisse und Bedingungen auf die Straße geht, ist das absolut in Ordnung und wird hierzulande m.E. eh viel zu selten gemacht.
Aber da können Asylsuchende nichts dafür und einen Sündenbock anzuprangern, ändert nichts an den Lebensbedingungen des Einzelnen und bringt uns nicht weiter.
einestachelbeere sagte:
Absolut! Ich wünsche mir auch, dass es positiver, konstruktiver Aktionismus wäre!
Stehlbluete sagte:
Ich bin noch sehr neu auf deinem Blog, aber vielen vielen Dank für diesen wundervoll geschriebenen Beitrag!
Ich war und bin auch bei den Leipziger Gegendemonstranten dabei und kann dir in allen Punkten zustimmen.
Die Parallelen zu Harry Potter passen wunderbar und die Zitate sind perfekt gewählt.
Danke! 🙂
buchblogumdieecke sagte:
Vielen Dank für das Lob und die Zustimmung!
Es freut mich, dass dieser Blogartikel, der mir schon lange unter den Nägeln brannte, so viel Zuspruch findet 🙂
Milena sagte:
Als Harry Potter Fan hat mir dieser Blog post besonders gut gefallen. Einfühlsam und warm geschrieben. Ich finde es vor allem gut,ddass du nicht mit zweierlei Maß misst.
buchblogumdieecke sagte:
Vielen Dank für die lieben Worte!
Ich habe mir Mühe gegeben, um nicht zu werden, was ich selbst verurteile 🙂
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elfenquetsche sagte:
Ein sehr schöner Beitrag! Ich habe mir die Bücher aus dieser Perspektive noch mal in Erinnerung gerufen und stelle fest, dass Sie mir vermutlich wegen der Behandlung dieses Themas so gut gefielen.
Ausgrenzung zu erfahren ist mir leider nicht fremd. Ich glaube ein Stück weit nachvollziehen zu können, wie sich Asyl suchende und ähnlich hilfebedürftige Menschen fühlen müssen. Es ist unendlich traurig, dass das in unserer Gesellschaft immer noch Thema ist. Eine andere Hautfarbe, Behinderung oder sogar nur ein anderes Geschlecht reicht offenbar aus, um den Hass, die Missgunst oder das Unverständnis der Leute auf sich zu ziehen. Wehe du bist weniger leistungsfähig, weniger intelligent oder weniger hübsch. Zack kannst du dich im Leben warm anziehen.. Ich habe das ganze so satt, das kann ich hier gar nicht zum Ausdruck bringen.
Ich bin anders und du bist anders. Das ist gut so und dafür gehe ich auf die Straße. Wir dürfen uns vom Kapitalismus die Menschlichkeit nicht abringen lassen.
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