das Buch bei lovelybooks
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Vor einigen Tagen bot mir Sven Wohl sein Erstlingswerk Die Einsicht an. Nach einem schnellen Blick zu amazon und in seine Leseprobe griff ich zu – das klang spannend!
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Ein namenloser Ich-Erzähler brennt zum wiederholten Mal sein aktuelles Haus ab, um so seinen eigenen Tod vorzutäuschen – doch warum? Wovor läuft er davon? Ist er ein Verbrecher auf der Flucht? Oder flieht er vielleicht selbst vor einem Verbrechen?
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Der Einstieg ist spannend gestaltet. Der Ich-Erzähler beschreibt die Vorbereitungen für seinen eigenen vorgetäuschten Tod und erklärt sich selbst zu einem Weltmeister des Sterbens, denn er tut dies nicht zum ersten Mal. Er brennt sein Haus ab und plant, sich mit falschen Papieren ein neues Leben in einer fremden Kleinstadt aufzubauen. Dieses Mal will er es als freischaffender Schriftsteller versuchen.
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Doch schon bevor er in der Stadt seiner Wahl, Nevrille, ankommt, mischen sich in seine durchaus sachlichen Schilderungen einige Auffälligkeiten, die sich später ins vollkommen Absurde steigern. Weder dem selbsternannten Schriftsteller noch dem Leser ist dabei klar, ob es sich um Träume oder gar Halluzinationen oder tatsächlich um die Realität handelt, sowohl der Protagonist als auch ich sind verwirrt bis hin zu schockiert. Während ich mir diese Einstellung erhalte, handelt der Protagonist in meinen Augen allerdings vollkommen unglaubwürdig, indem er nach mehreren Begegnungen der anderen Art und der Flucht in das vorab gebuchte Hotel die Stadt weiterhin als idyllisch und beschaulich beschreibt und sogar dahin zurückkehrt – mehrfach. Würden mich Blut triefende Gesichter verfolgen, würde ich ganz sicher das Weite suchen!
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Kurzzeitig beginnt er an seinem Verstand zu zweifeln, wirft diese Zweifel aber schnell wieder über Bord und macht sich an die Aufklärung seines Problems, die sich in meinen Augen als absolut unglaubwürdig herausstellt. Ohne zu viel verraten zu wollen, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass eine Vergangenheit wie die seine irgendjemanden zu dem wiederholten Vortäuschen des eigenen Todes bringen würde, denn dafür gibt es eigentlich keinen plausiblen Grund. Was schade ist, da ja von Anfang an die Frage im Raum steht, warum er diesen Aufwand immer und immer wieder betreibt.
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Das Handeln seiner Nebenfiguren hinterfragt er immer nur kurzzeitig, nimmt es dann aber als gegeben hin – gerade bei Maria, die ihn beherbergt und sowohl ihm als auch mir von Beginn an suspekt ist, ist das überhaupt nicht nachvollziehbar.
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Auch die Handlungen der Nebenfiguren ergeben rückblickend betrachtet keinen tieferen Sinn, sie hatten einzig das Ziel, Protagonisten wie Leser zu verwirren. Viel unheimlicher wäre es doch aber gewesen, hätten diese Nebenfiguren einen tatsächlichen inhärenten Zweck gehabt und die Verwirrung hätte sich aus Missverständnissen heraus ergeben. So fehlt ihnen leider jegliche Eigenständigkeit, sie wirken wie Pappaufsteller in einer billigen Geisterbahn.
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Durch dieses unlogische, nichtnachvollziehbare und abstruse Handeln aller Personen kam bei mir leider zu keinem Zeitpunkt ein Gefühl des Gruselns auf – und das Buch läuft immerhin unter Horror.
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Sprachlich konnte mich das Buch auch nicht überzeugen. Neben Fehlern auf der Sprachebene (sie/ihnen vs. Sie/Ihnen; zahlreiche Kommafehler; fehlerhafte Grammatik; Satzgefüge, die einen Gegensatz ausdrücken, wo gar keiner vorhanden ist) finden sich auch viele Unstimmigkeiten im Ausdruck, fast als hätte sich der Autor zu viele Mühe gegeben, wodurch sowohl Erzähltext als auch Personenrede sehr krampfhaft klingen.
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Am meisten haben mich allerdings die inhaltlichen Unstimmigkeiten aufgeregt. Sowohl bei Situationsbeschreibungen als auch bei Längen- und Zeitdauerangaben haben sich viele Sätze innerhalb kurzer Zeit schlicht widersprochen, womit es teilweise zu Logikfehlern bis hin zu -brüchen kam. So werden aus „zwei Kilometer[n]“ (S. 13) wenige Zeilen und einiges an Wegstrecke später auf einmal „nur noch wenige Kilometer“ (S. 17) bis nach Nevrille, an einer anderen Stelle befindet sich der Protagonist mitten im Wald, um diesem dann 2 Zeilen später entgegenzulaufen (vgl. S. 61). Das mögen nur Kleinigkeiten sein, doch empfinde ich sie als umso ärgerlicher, weil sie so leicht zu vermeiden wären.
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Ich glaube, das Buch hätte um einiges besser werden können, wäre es länger. Mit 92 Seiten hat es eher die Länge einer Kurzgeschichte, aber inhaltlich den Umfang eines Romans. So kommen viele Sachen einfach zu kurz, was auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht. Ich vergebe 1 von 5 Sonnen.